Die Schöpferische Kraft der Farben | Die Entstehung der Idee aus der Farben | Das Aquarell
 
 
     
 

WIE KÖNNEN LEBENDIGE UND SPRECHENDE MALERISCHE WERKE GESCHAFFEN WERDEN?

DER GOETHEANISMUS UND DIE SCHÖPFERISCHE KRAFT DER FARBE

J.W. Goethe hält es in seiner „Farbenlehre“ für wünschenswert, dass die Maler die von ihm offenbarte moralische Wirkung der Farben beherzigen, um ihre Werke lebendiger und pulsierender zu machen.

Dall’Archivio Rudolf Steiner

Mondaufgang - R. Steiner *

Auch Rudolf Steiner erblickte in der Lehre Goethes eine Fundgrube für sehr nützliche Erkenntnisse, um eine Erneuerung der Malerei möglich zu machen. Er vertiefte selbst noch die Theorie Goethes und erweiterte sie mit den durch seine eigene Forschung erzielten Kenntnissen.

Rudolf Steiner verdanken wir im besonderen die ausserordentlich wichtige Entdeckung jener intimen Empfindungen, die als „Bewegungen der Seele“ bezeichnet werden können und die bei der Betrachtung der Farben in den Tiefen des Unterbewusstseins erlebt werden. Wie schon ausgeführt, können diese mit den Kräften der dynamischen Ausdehnung und Zusammenziehung verglichen werden und, wenn sie beim Auftragen der Farben während der Ausführung des Gemäldes wieder erreicht werden, verleihen sie ihm Leben und Leuchtkraft.

Es war auch Steiner, der zur Vervollständigung des Farbkreises von Goethe das Pfirsichblüt, Weiss und Schwarz hinzufügte, die auch als wirkliche Farben anzusehen sind. Schliesslich unterschied er sie alle – je nach ihrer Qualität und dem, was sie ausdrücken – in „Glanzfarben und Bildfarben“.

Aus dem Rudolf Steiner Archive

Sonnenaufgang - R. Steiner *

Diese neuen Erkenntnisse boten unvorstellbare weitere Entwicklungsmöglichkeiten in der darstellenden Kunst und Steiner wurde zum Anreger von tiefergehenden Forschungen seitens der Maler, denen gegenüber er freigiebig war mit konkreten Vorschlägen und immer neuen Impulsen.

Er selbst entwickelte jedoch im Fortschreiten seiner persönlichen Forschungen nur nach und nach die notwendigen folgenden Schritte und demnach die angemessensten Verfahrensweisen, um aus der Anwendung der Farben jenen Reichtum an Inhalten und Empfindungen zu erlangen, den diese bieten können. Dies geschah vor allem während der Ausführung der eindrucksvollen Fresken, die nach seinem Entwurf in den beiden Kuppeln des ersten „Goetheanum“-Baus (194-1918) geschaffen wurden. (Leider wurden diese Kunstwerke vom Feuer zerstört, aber vor kurzem im grossen Saal des neuen „Goetheanum“ erneut ausgeführt.)

Unter seiner Anleitung arbeiteten damals an diesen Fresken zahlreiche Maler, aber einige Teile wurden auch von Steiner selbst ausgeführt.

Anfänglich waren grosse Flächen von Farben im Sinne des Goetheschen Farbkreises aufgetragen worden; die wie fliessende Ströme von Farben erschienen, welche als ursprüngliche Schöpferkräfte für Gemälde erlebt wurden. Diese sollten dann nicht intellektuell erzeugt werden, sondern aus dem Inneren der Farben entstehen.

Aus dem Rudolf Steiner Archive

Monduntergang - R. Steiner *

In diesem Zusammenhang sagte Steiner einmal: „Der kleine Kuppelraum des Goetheanums wurde so ausgemalt, dass dort nicht von ideenhaftem Figuralen ausgegangen worden ist, dem Farben aufgeklebt worden wären, sondern es war zuerst ein Farberlebnis da; und aus diesem heraus wurde das Figurale geboren. In der Hingabe an das Farbenwesen erkraftet sich das seelische Schaffen zu solchem Figuralen, wie es von den erlebten Farben gefordert wird. Man fühlt sich im Malen für die Augenblicke des Schaffens so, als ob es in der Welt überhaupt nichts gäbe als webendlebende Farben, die aber schöpferisch sind und aus sich Wesenhaftes erzeugen.“ (GA 36-IV „ Das Goetheanum in seinen zehn Jahren“. Aufsatz in „Der Goetheanumgedanke inmitten der Kulturkrisis der Gegenwart“).

Bei anderer Gelegenheit führte Steiner weiter aus: „Mir kam es beim Ausmalen der kleinen Kuppel nicht darauf an, diese oder jene Motive zu zeichnen, an die Wand zu bringen, mir kam es darauf an, dass zum Beispiel hier ein Orangefleck in verschiedenen Nuancen des Orange ist; aus diesen Farbnuancen ergab sich mir die (Faust-)Gestalt...Es ist durchaus die Gestalt, das Wesenhafte, ganz aus der Farbe herausgeholt.“ (GA 290 Der Baugedanke des Goetheanum“).

Es entstand damals eine neue und andere Art zu malen, die eine vollständige Umwandlung der üblichen Vorgehensweisen mit sich brachte. Sie forderte jedoch von den Künstlern das Entwickeln einer verfeinerten Sensibilität für die Wahrnehmung der Qualität, des Wesens und des Dynamismus der Farben.

Aus dem Rudolf Steiner Archive

Sonnenuntergang - R. Steiner *

Zur besseren Illustration der von ihm erdachten Vorgehensweise und vor allem der Prinzipien, auf die diese sich gründet, führte Steiner selbst bei verschiedenen Gelegenheiten als Beispiel einfache Arbeiten mit Pastellfarben aus, die Naturstimmungen darstellten. Hiermit wollte er einen anderen Zugang durch die Farben aufzeigen, weil durch ihre Auswahl sowie durch ihre Verteilung im Raum diese nicht die Aufgabe hatten, die sichtbare Wirklichkeit wiederzugeben, sondern eine intime Beziehung zu den im Betrachter geweckten seelischen Erfahrungen gegenüber dem dargestellten Ereignis zum Ausdruck zu bringen.
Auf diese Weise konnte die entstandene Darstellung innerlich erlebt werden.

Über die Art, die Farben zu behandeln, ihre Bewegungen zu führen, Formen und damit Figuren zu schaffen, sagte R.Steiner folgendes:

„ die Natur fordert uns überall auf, ihre Formen in andere zu verwandeln, zu metamorphosieren. Wer Natur nur beobachtet, kopiert sie, verfällt in Naturalismus. Wer die Natur erlebt, wer die Linien der Pflanzen, die Farben der Pflanzen nicht bloss anschaut, sondern innerlich erlebt, für den schlüpft aus jeder Pflanze, jeder Gesteinsform, aus jeder Tierform eine andere heraus, die er dem Material einprägen kann.... Wir modernen Menschen müssen Kunstwerke schaffen, bei denen die Form mehr sagt, als die Natur sagt....- Wir gelangen dazu, dasjenige Künstlerische in der Natur zu sehen, was in der Natur die Form leben lässt.“ (GA 257 „Anthroposophische Gemeinschaftsbildung“). (GA 257 “Formazione di comunità” 22.2.1923).

Aus dem Rudolf Steiner Archive

Neues Leben - R. Steiner *

AUS DER FARBE ENTSTEHT DIE IDEE

Um das von Steiner angewendete Verfahren besser zu verstehen, ist die Beschreibung von einem von ihm vor Malern ausgeführten Beispiel der Malerin Luise Blommenstein interessant, das sich in ihrer Schrift „Wie Rudolf Steiner uns vormalte“ findet. Sie beschreibt, wie Steiner auf einem weissen Blatt ein zartes nach oben geschwungenes Blau auftrug und einen gelben Fleck daneben setzte. Dieser forderte die Anwesenheit seiner Komplementärfarbe, und so stellte Steiner dem Gelb einen kleinen lila Fleck zur Seite. Er wies darauf hin, dass sich auf diese Weise ein Akkord ergäbe (eine „Totalität“ wie Goethe sagt). Jetzt wurde es erforderlich, eine vierte Farbe hinzu zu geben, die nicht zu diesem Akkord gehörte. So umgab er ihn mit hellem Grün und fügte später noch weiter unten ein Violett hinzu, es mit dem Blau verbindend. Es blieb noch ein kleiner weisser Bereich, dem gegenüber er die Notwendigkeit empfand, ihn mit einer der Farben des Akkordes zu füllen: einem hellen Blau. Es ergab sich so eine Farbensymphonie, die er vollendete, indem er in das Gelb noch ein Rötlich setzte.

Dann begann Steiner, aus den Gesten und den Formen Figuren herauszuholen, die sich soweit konsolidierten, dass ein weibliches Antlitz erschien, in das er die Augen einzeichnete. Die Form des Lila regte zu einem anderen kleinen Kopf an, den eines Kindes. Eine IDEE, ein MOTIV war im Entstehen: Mutter und Kind. Jetzt wurde es notwendig, die Idee weiter auszuführen und zu vervollständigen, indem sie in die Gesamtheit der Farben eingefügt wurde. Es musste eine Verbindung zwischen den beiden Gestalten gesucht werden: sie wurden durch eine Geste in einer warmen Farbe (orange) miteinander verbunden, die das Aussehen eines Armes und einer Hand hatte. Dann arbeitete Steiner das Ganze weiter aus und harmonisierte es, und schliesslich fügte er mit ausladenden Bewegungen ein leuchtendes Gelb auf dem Hintergrund ein, das von oben nach unten und über das Blau hinweg verlief, wodurch eine goldfarbene Atmosphäre entstand.

Die Arbeit verlief in vier Phasen: 1) das Erlebnis des Zusammenklangs von drei Farben (Akkord, Totalität); 2) die Bereicherung der Komposition durch das Hinzufügen anderer Farben; 3) das Entstehen und die Verkörperung der IDEE; 4) die endgültige Harmonisierung des Ganzen.

Aus dem Rudolf Steiner Archive

Urpflanze - R. Steiner *

Die folgenden Worte Steiners beschreiben gut das Wesen dieser neuen Art zu malen:...“wenn man sich richtig in die flutend-wogende Farbenwelt hineinlebt. wird man finden, dass daraus Gestalten entstehen, Gestalten, die die Geheimnisse des Weltalls zum Ausdruck bringen, die zum Ausdrucke bringen die Seele des Weltalls. Aus dem Schöpferischen der Farbe wird selber eine Welt entstehen, eine Welt, die sich konfiguriert, die sich innerlich differenziert, die sich wesenhaft auslebt. Die Form wird herausgeboren werden aus der Farbe.
Man wird fühlen, dass man nicht nur in der Farbe lebt, sondern dass die Farbe aus sich die Form herausgebiert, dass also die Form das Werk der Farbe ist.“


(GA 287 „Der Dornacher Bau als Wahrzeichen geschichtlichen Werdens und künstlerischer Umwandlungsimpulse.“).
Steiner fasste die Quintessenz des von ihm entwickelten Verfahrens in die synthetischen Worte zusammen:
“AUS DER FARBE HERAUS MALEN”

DAS AQUARELL

Viele der von Steiner entworfenen Beispiele wurden aus praktischen Gründen und wegen der gewünschten Schnelligkeit mit Pastellfarben ausgeführt. Er hat jedoch immer die Ansicht vertreten, dass das ideale Medium für diese Art der Malerei das Aquarell sei. Aufgrund seiner Leuchtkraft und Leichte ermöglicht es, trotz der zahlreichen Schichten und Schleier mit dieser anderen Technik die „Farbe von der Schwere zu befreien“.

Er selbst fertigte grossformatige Aquarelle mit intensiven, doch transparenten und leuchtenden Farben an.

Aus dem Rudolf Steiner Archive

Ostern - R. Steiner *

Es erscheint selbstverständlich, dass die von Steiner entwickelte Methode völlig originell und sicher noch offen für weitere unvorstellbare Entwicklungen ist. Obgleich oft Affinitäten mit dem Impressionismus, Expressionismus und der abstrakten Stilrichtung auftreten, darf man jedoch nicht annehmen, dass die steinersche Auffassung in irgendeiner Weise von diesen Strömungen herstamme, sondern dass vielmehr einige von deren wesentlichen Aspekten sich parallel zum Denken Steiners bewegen. Die steinersche, anthroposophische oder goetheanistische malerische Methode, oder wie man sie auch nennen will, stellt auf jeden Fall einen bedeutenden Meilenstein im Bereich der Malerei der Neuzeit dar.

Man könnte auch sagen, dass die von dieser Methode gebrachten Neuerungen und die Möglichkeit weiterer darin enthaltenen zukünftigen Entwicklungen diese originelle Auffassung in der darstellenden Kunst zu einer wahrhaft avantgardistischen Malerei machen.

Den Angaben Rudolf Steiners folgend haben sich verschiedene „Schulen“ entwickelt, um seine Vorschläge zur Erneuerung der darstellenden Kunst zu verwirklichen. Unter diesen hat die Malschule von Beppe Assenza als dem Erfinder einer praktischen, gut gegliederten und tief gehenden Methode weitgehende Anerkennung gefunden.

Die Methode von Beppe Assenza ist die von Luciano Balduino befolgte.

Im folgenden werden umfassendere Angaben über den Maestro Beppe Assenza und seine Methode vorgestellt.


* Ein Dank an das Rudolf-Steiner-Archiv für die Genehmigung zur Reproduktion dieser Gemälde. Copyright by Rudolf Steiner Nachlassverwaltung 2006.
 
     
         
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